Röntgenlauf-Marathon 2022

Der Marathon beim Röntgenlauf – 42,2 Kilometer und 860 Höhenmeter auf welliger Strecke mitten durchs Bergische Land. Start in Clemenshammer, Ziel in der Geburtsstadt von Wilhelm Conrad Röntgen, Remscheid-Lennep.

Mein persönlicher Rennbericht
Der Röntgenlauf in Remscheid stand schon seit Jahren auf meiner „to do“ bzw. „to run“-Liste. In der Vergangenheit habe ich mich an den Lauf, der durch meine beinahe alte Heimat Bergisches Land führt, nicht rangetraut. Zu viele Höhenmeter, zu viele Matsch-Trails, zu ungewisses Wetter Ende Oktober. Als ich mich im Sommer dazu entschied, dachte ich an 5 Grad Nebel und Regen. Nun ja – dass es schließlich 14 bis 18 Grad und Sonne waren, konnte ja niemand vorher ahnen. Die Bedenken der Vergangenheit, zu wellig und trailig, waren durch meine läuferischen Schwerpunkte in diesem Jahr eigentlich weg. Klar, was gibt es besseres als nen bisschen auf und ab sowie unterschiedliche Wege, Pfade und wunderschöne Aussichten genießen?

Die Zeit vor dem Lauf
Getrübt wurde meine Vorfreude nur durch einen lästigen und nicht enden wollenden Husten. Es war aber nur Husten. Sonst fehlte es mir in den zwei Wochen vor dem Lauf an nichts. Gibt es da nicht diese bekannte „Neck“-Regel, die besagt, dass Symptome oberhalb des Nackens körperliche Aktivitäten zulassen? Der Hals mit dem entsprechendem Husten liegt oberhalb des Nackens. Ich fühlte mich gut.

Start in Clemenshammer
Start um 9:30 Uhr. Gut für mich, da ich überhaupt kein „Frühläufer“ bin. Und es kommt sogar noch besser – durch die Umstellung auf Winterzeit wird mir eine Stunde geschenkt! Also eigentlich 10:30 Uhr. Da sollte ich wach sein. Am Start bin ich auch wach, aber eher vor Kälteschock. Mit dem vom Veranstalter organisierten Shuttle-Bus geht es von Remscheid-Hackenberg nach Clemenshammer. Kalt ist es da, im Tal. Ein typisches sehr kleines Dorf, im Häuserstil des Bergischen Landes.

Gedanken an 100 km
Beim Röntgenlauf gibt es einige Lauf-Disziplinen. Den Marathon, den ich laufe, sowie Halbmarathon, 63,3 km und 100 km. Einige der 100km-Läufer laufen durch das Tal. Frisch sehen die meisten noch aus. 60 Kilometer haben die Läufer, die zwischen 2 und 4 Uhr nachts gestartet sind, schon in den Knochen. So richtig kann ich mir das nicht vorstellen. Aber gut – ich konnte vor nicht allzu langer Zeit weder an Ultra, Marathon oder Halbmarathon denken. Das Leben ändert sich schnell. Auch das Läuferleben. Den 100km-Lauf gibt es hier nur dieses Jahr – zum 20. Jubiläum. Vielleicht wieder zum 25. Geburtstag? Ich denke nicht allzu lange drüber nach. Wir sollen pünktlich starten, erzählt der Sprecher. Schließlich werden gleich die ersten Halbmarathonies erwartet, die rund eine Stunde vorher gestartet sind.

Los geht es! Erst einmal recht flach an einigen schönen bergischen Häusern vorbei. Genau das richtige, um mich einzulaufen und warm zu werden. Schon bald wird es wellig. Dies wird sich so schnell nicht wieder ändern! Bei Kilometer 3 schaue ich in ein bekanntes Gesicht: Dominik, den ich vor rund drei Jahren bei einem Trail-Camp in Bayern einmal kennengelernt habe. Er läuft die 100km und hat sichtlich mit sich zu kämpfen. Er tut mir leid. Ich weiß aber, dass er sich durchkämpfen wird. Ein sehr starker, junger Läufer. „Es war sehr schön, Dich mal wieder gesehen zu haben“, ruft er mir noch zu. Ja, ganz meinerseits. Immer wieder sehr nett, die Trail-Community!

Den Tag genießen
Die erste massive Steigung kündigt sich an. Serpentinenartig schlängelt sich der Weg in die Höhe. Ich gehe. Oben steht einer der sehr netten Helfer. „Genieß Deinen Tag“, ruft er mir zu. Klar. Das tue ich auf jeden Fall. Ich bin sehr dankbar und glücklich, dass ich so einen Lauf machen kann oder auch darf. Meine Waden sehen dies nach dem Anstieg anders. Sie sind im „Trotz-Modus“. Gut. Ich will bzw. muss mit meinem Körper „zusammenarbeiten“. Ob meine Waden trotzig sind und schmerzen, interessiert mich wenig. Ich laufe weiter. Schon scheinen die Schmerzen weg zu sein. Geht doch!

„Highway to hell“
Bei Kilometer 5 gibt es den ersten Verpflegungspunkt (VP). „Highway to hell“ tönt es aus den Lautsprechern. Einer meiner Lieblings-Laufsongs. Die Hyme des Trans Alpine Runs, den ich mir für das nächste Jahr als großes Ziel gesetzt habe. Acht Tage lang durch die Alpen, jeden Tag eine Marathondistanz mit ordentlich Höhenmetern. Dagegen ist das hier und heute ein Kinderspiel. Ich laufe am VP vorbei. Auf Grund meines empfindlichen Magens trage ich sämtliche Verpflegung in Form von Gels bei mir. Auch habe ich meine Flask mit Getränken, eine mit einem magenschonenden Kohlenhydrathaltigen Mix aufgefüllt. Ich trage zwar damit einen Liter mehr mit mir herum, habe aber dafür die Möglichkeit, ständig Flüssigkeit zu mir nehmen zu können.

Ich laufe und laufe. Bergauf langsam. Wenn es mir zu steil wird, dann gehe ich. Rein präventiv, es sind ja noch einige Kilometer. Bergab auf „laufbarem“ Terrain achte ich da nicht drauf. Da lasse ich es laufen. Nur Fliegen ist schöner. Ich genieße die spürbare Freiheit. Es ist toll. Laufen befreit so. Die tiefste Stelle des Laufs ist erreicht. Geht es jetzt nur noch bergauf?

Schon bald ragt die Müngstener Brücke aus der Landschaft hervor. Die ehemalige Kaiser-Wilhelm-Brücke ist die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands. Sie ist 107 Meter hoch und verbindet zweigleisig die Städte Remscheid und Solingen. Extrem imposant.

Unbeachtete Burgen und Schlösser
Am Verpflegungspunkt bei Kilometer 12 soll es einen Blick auf Schloss Burg geben. Zumindest lese ich das vor und nach dem Lauf. Gesehen habe ich die mir seit der Kindheit bekannte Burg nicht. Ich scheine mehr auf das Auffüllen der Flasks konzentriert zu sein. Oder ich habe es einfach nicht mit Burgen oder Schlössern. Beim Zugspitz Ultra habe ich Schloss Elmau schließlich auch nicht gesehen;-)

Halbmarathon am Schwimmbad
Zur Halbmarathon-Distanz geht es durch das Freibad Eschbachtal. Eine große, in die Jahre gekommene Anlage. Der VP ist wieder einmal eindrucksvoll und wird jeweils von den heimischen Vereinen betrieben. Es gibt einfach alles. Vor allem sehr freundliche, lustige Menschen. Ich genieße es und laufe vorbei. Am Ende des Freibads wartet der Bus, der die Staffelläufer*innen und die Marathonies ins Ziel bringt, die sich entschieden haben, doch nur die halbe Distanz zu laufen. Keine Option für mich. Ich laufe weiter und freue mich. Die Sonne strahlt. Ich auch.

Anstrengung und Unterhaltung an der Eschbachtalsperre
Vor Kilometer 25 habe ich Respekt. Zum einen ist es beim Marathon mein „kritischer“ Kilometer, zum anderen wartet hier die längste Steigung. Die Umgebung könnte nicht schöner sein – die Eschbachtalsperre. Hier war ich schon mal laufen, an der ersten Trinkwasser-Talsperre Deutschlands. Auch heute ein beliebtes Ausflugsziel an diesem sonnigen Wochenende. Viele Spaziergänger*innen, Läufer*innen und wir. Ich mache mit zwei Mitläufern eine Wandergruppe auf. Muss auch mal sein. Wir unterhalten uns über den Lauf. Schon anstrengend, aber heute beim gleichzeitig stattfindenden Frankfurt Marathon laufen? Auf gerader Strecke, auf Asphalt ballern? Nein, hier finden wir es alle schöner. Ein Mitläufer erzählt, dass der zweite Teil des Rennens „laufbarer“ sei. Es sei nicht mehr so wellig und es gäbe viel mehr gerade Strecken, an denen man sein Tempo einfach laufen kann. Hört sich gut an. Ob das wohl stimmt? Ich bin guter Dinge. So ein Lauf ist ja auch immer ein „Psycho-Ding“. Hinterher wusste ich, dass er natürlich recht hatte. Warum sollte er mich angelogen haben? Den Negativ-Split habe ich trotzdem nicht hinbekommen.

Als wir endlich das Ende der endlos wirkenden Geraden erreicht haben, zeigt sich das Bergische Land von seiner besten Seite. Wir laufen über ein Feld, es ist sonnig und die Ausblicke sind endlos. So gefällt es mir. Bald geht es auf einem gut asphaltieren Wander- und Radweg entlang. Viel los heute. Läufer, E-Biker, Mountainbiker und Spaziergänger wechseln sich ab. Die Strecke entspannt, geht sie doch leicht bergab und ist gut „laufbar“. Eigentlich nicht das, was ich möchte – Asphalt. Es wärt nicht lang und schon geht es wieder auf Wanderwege. Das möchte ich!

Wilhelm Conrad Röntgen
Ich denke nach, über den Namensgeber des Laufs: Wilhelm Conrad Röntgen. Am Vortag hatten wir das informative und sehr gut präsentierte Museum in seiner Geburtsstadt Remscheid-Lennep besucht. Am 8. November 1895 hatte Röntgen in seinem Labor eine bislang unbekannte Art von Strahlen zum Leuchten gebraucht. Die Strahlen hatten die ungewöhnliche Eigenschaft, durch schwarzes Papier hindurchzugehen und zu leuchten. Röntgen bezeichnete sie als „X“-Strahlen, um anzuzeigen, dass es sich um eine unbekannte Art von Strahlung handelt. Seine Erforschungen revolutionierte die Medizin und war wegweisend für unter anderem den Umgang mit Radioaktivität in der Medizin. 1901 erhielt er dafür den Nobelpreis für Physik. Was wäre ohne seine Erforschungen gewesen?

Kleiner Mann mit dem Hammer bei KM 35
Herausgerissen aus meinen Röntgen-Überlegungen stellt sich bei Kilometer 35 ein Problem ein. Nicht wirklich der Mann mit dem Hammer aber eine kurze „schummrige“ Phase. Komisch, habe ich normalerweise bei Kilometer 25 schon. Gut, jeder Lauf ist anders. Ich merke wie ich mich schwindelig fühle, leichte Kopfschmerzen stellen sich ein. Etwas ungewohnt. Ein Gel muss her, am besten mit Koffein. Es wirkt recht schnell welch Glück. Ich atme erleichtert auf. Ist sicher auch viel Kopfsache. Nun sind es bald nur noch sechs Kilometer. Also nur noch meine kleine Hausrunde. Ist ja zu schaffen.

Laufen fürs Foto
Die letzten Kilometer geht es an der Wuppertalsperre entlang. Hier kommen Läufer*innen aller Wettbewerbe zusammen. Von 5 Kilometern bis zum 100 Kilometer-Lauf ist alles dabei. Mit meinen 42,2 Kilometern komme ich mir heute schon manchmal wie bei einem Bambini-Lauf vor. Andere laufen hier mehr als das Doppelte. Die Stimmung ist gut. Vor allem die Läufer*innen der kürzeren Distanzen sind sehr guter Stimmung. Viele laufen in Gruppen zusammen, sind kreativ mit ihrer Bekleidung, lachen und haben Spass. Spass habe ich auch immer noch. Aber so langsam wird es anstrengend. Auf den letzten 1,5 Kilometern werden die verschiedenen Disziplinen noch einmal getrennt. Wir müssen noch einmal eine steile Steigung hinauf. Bringt ja unglaublichen Spass bei Kilometer 41! Ich gehe. Jetzt bloß keinen Krampf riskieren. Fast auf dem „Gipfel“ sitzt ein Fotograf. Der Läufer vor mir beginnt zu laufen. Für den Fotografen mache ich das auch. Sieht schließlich etwas peinlich aus, wenn ich bei einem Marathon-“Lauf“ gehe. Der Fotograf lacht. Hat er heute schon ein Paar Mal gesehen, wie die Läufer*innen an der Stelle von Gehen auf Laufen gewechselt sind. Das alles nur für ein Foto. Ich setze ein Lächeln auf. An dieser Stelle etwas verkrampft.

Quelle: https://www.runnersworld.de/news-fotos/roentgenlauf-remscheid-2022/

Bin ich nur 5 KM gelaufen?

„Nur noch 800 Meter“, ruft jemand. Man soll niemanden trauen, der Hinweise zur verbleibenden Strecke oder zur Lage der Verpflegungspunkte gibt. Hier stimmt es. Ich höre Stimmen, den Zielsprecher. Und da ist er – der Zielbogen. Die letzten 100 Meter genieße ich. Es sind einfach die Schönsten. Viele Leute stehen im Ziel, auch entdecke ich meinen Mann. Ich bin glücklich und genieße einfach nur. Vom Sprecher werde ich angekündigt: „Sie schaut aus, als hätte sie nur fünf Kilometer in den Beinen. Sorry, sieht wirklich so aus. Aber sie ist 42 gelaufen.“ Ach, diese Wirkung habe ich also? Oder vielleicht doch nicht alles gegeben? Ich muss lachen. Lustig. Die Ziellinie ist überquert. Mir wird die Medaille umgehangen und eine Flasche Bier in die Hand gedrückt. Alkoholfrei natürlich. Auf einmal fühlt sich alles etwas leer an. Sind vielleicht die letzten Meter vor dem Ziel die schönsten? Wenn es geschafft ist, dann ist alles weg und das „normale“ Leben beginnt wieder? Scheint wohl so zu sein. Trotzdem genieße ich noch einen Moment die Atmosphäre und die extrem freundlichen Helfer*innen. Einfach toll, was diese Menschen aus den Vereinen, Feuerwehren, THW etc. an der Strecke leisten. Dann ist der Lauf Geschichte.


Mein Fazit
Ich habe es genossen. Der Husten hat sich während des Laufs zu keinem Zeitpunkt bemerkbar gemacht. Gut. Mit einer Zeit von 4:37 Std. belege ich den 8. Platz bei den Frauen und den 2. Platz meiner Altersklasse. Damit bin ich zufrieden, bei einem Trail-Marathon, der laut meiner Laufuhr 860 Höhenmeter hat. Auch mein Laufziel ist wieder aufgegangen: Den Lauf und die Landschaft genießen, aber auch nicht Letzte werden…. Ein toller Tag im Bergischen Land!

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