„Lauf durch die Mitte“ 2021

Lauf-Crew Crossing Germany (Photo by Philipp Reiter)

Lauf durch die Mitte“ oder „Crossing Germany„: 850 Kilometer und 21.642 Höhenmeter an 8 Tagen – quer durch Deutschland! 11 ausgewählte Leser*innen des Trail Magazin, 2 Hunde und 2 (Chef-)Redakteure. Das war im Oktober 2021 mein Projekt! Wir liefen von Perl (an der luxemburgischen Grenze) zum Fichtelberg (an der Grenze zu Tschechien). Ein Staffellauf, bei dem jede(r) mal mit jedem Teilnehmer (meist zu zweit) laufen sollte. Fünf bis sechs Etappen täglich, auf alle Läufer*innen verteilt. Jede(r) lief einen Halbmarathon pro Tag, mal mehr mal weniger. Übernachtung in mobilen Heimen, Wohnmobilen.

Im Folgenden nehme ich Euch mit auf meine Reise, die ein absolutes Team-Erlebnis Deluxe mit unvergesslichen Eindrücken war.

Etappe 0 – Ankommen in Perl: Ein erstes Kennenlernen

Es ist der 19. Oktober 2021. Wir reisen aus verschiedenen Himmelsrichtungen an. 13 Leute, alles Läufer*innen, die sich vorher nicht kannten. Ein erstes Treffen gab es für mich im Zug, mit Nina. Auch hier läuft alles wie in den kommenden 8 Tagen. Schnell entschieden und flexibel ändern wir das Zug-Routing (Verspätung der Bahn hat es ermöglicht…) und fahren nach Karlsruhe. Dort treffen wir schon einen Teil der Lauf-Crew. Ein erstes Kennenlernen im kleinen Kreis. Passt schon mal. Läuft.

Nach Ankunft von Denis, Benni und Sandra, die unsere drei Wohnmobile (unser Zuhause für die nächsten 8 Tage) abgeholt haben, geht es von Karlsruhe nach Perl, an der luxemburgischen Grenze (bei Schengen). Auf unseren ersten Wohnmobil-Stellplatz. Nach größerem Kennenlernen und Einkauf gibt es Pizza. Auf der Treppe der örtlichen Sporthalle. Toll, ein informelles Kennenlernen mit allen zusammen. Ich bin begeistert. Es sieht nach 12 tollen Menschen aus.

Wie wird es sein, zu fünf Mädels mit zwei Hunden in einem 7,20 Meter langen Wohnmobil? Hört sich erstmal nach Platz an. Ist allerdings für die Personen- und Hundezahl nicht üppig. Wie verstehen wir uns, wie verstehen sich die Hunde? Ich habe mich auf dieses Abenteuer „Crossing Germany“ und auch darauf eingelassen.

Start in Perl (an der Grenze zu Luxemburg, Schengen)
Etappe 1 – Start im Hunsrück: 13 Leute, ein Gedanke, ein Ziel

Wie wird es sein? Der erste Tag, die erste Etappe. Ich bin aufgeregt. Wie funktionieren die Wechsel an den jeweiligen Checkpoints? Kurz nach 5 Uhr morgens geht es heute los. Wir fahren mit den Womos rüber nach Luxemburg. Die Autofahrer im Berufsverkehr sind wenig begeistert, von 3 am Straßenrand parkenden Wohnmobilen und 13 aufgeregten, freudigen, schon jetzt begeisterten Läufer*innen. Es herrscht eine grandiose Stimmung. Hanna und Sandra laufen mit ihren Hunden Malouna und Janosch den ersten Streckenabschnitt. Vorher gibt es noch ein Startfoto auf der Brücke zwischen Luxemburg und Deutschland. Es sollten noch viele Startfotos folgen.

Wir fahren zur Saar-Hunsrück-Schleife. Es ist ein Traum. Die Sonne bahnt sich ihren Weg durch den Nebel. Wir fotographieren viel, sprechen viel. Hier werden die Läufer des Abschnitts zwei auf die Strecke geschickt.

Saar-Hunsrück-Schleife: Ein Traum im Morgengrauen

Ich bin im dritten Abschnitt mit Nina und Clara dran. Etwas aufgeregt bin ich schon, wie werde ich als Straßenläuferin aus dem Flachland mit den Trans Alpine- und bergigen Regionen gewohnten Sportler*innen mithalten können? Es ist ein wunderschöner Trail. Viel im Wald, verwurzelt, enge Wege, einige Anstiege auf dem Saar-Hunsrück-Steig. Meine kürzeste Etappe heute: 15,68 Kilometer und 582 Höhenmeter. Der erste Zieleinlauf ist grandios und erinnert mich an ein Finish bei einem Wettkampf. Es wird gejubelt, gefeiert, fotographiert, gefilmt etc.. Einfach nur großartiger (Lauf-)Spass. So geht es mit anderen Läufer*innen bis in die Abendstunden weiter.

Dazwischen fahren wir von Checkpoint zu Checkpoint. Immer wieder werden die anderen Läufer*innen für ihr Finish bejubelt bzw. auf die Strecke geschickt. Es ist toll. Wir verstehen uns. Gefühlt kennen wir 13 uns schon seit Jahren. Vertrauen ist da. Auch durch einen Sport, der uns alle verbindet. Laufen verbindet. Es läuft – könnte man in jeder Hinsicht sagen. Ich werde von Frank ins Ultra-Laufen eingeweiht. Interessant. Am Abend geht es auf einen Stellplatz an einer Gaststätte nahe des Hunsrück-Hauses. Ich bin sehr zufrieden. Die Leute stimmen, Laufen hat auch gepasst. Hoffentlich klappt es mit dem Regenerationsschlaf heute besser. Gestern hatten wir eine Mückenplage. Heute wird es der erste große Herbststurm sein.

Zieleinlauf von Etappe 1: Einfach nur schön!
Etappe 2 – Auf zum „Vadda Rhein“: Der große (Lauf-)Sturm

Bewunderung für die erste (Lauf-)Schicht heute: Es ist der Tag des großen Sturms. Bei Dunkelheit, Sturm und Regen brechen Hanna (mit Hunde-Dame Malouna), Sandra (mit Hunde-Herr Janosch) und Nina zu ihrem ersten Abschnitt auf. Mit fällt es schwer, mit dem Wohnmobil durch Sturm und Regen zum ersten Checkpoint zu fahren. Der Wetterdienst warnt vor Ausflügen in den Wald. Die „Hunde“-Mädels kommen strahlend ins Ziel ihrer Etappe. Bewunderung!

Ich bin ab Schneppenbach, mittlerweile in Rheinland-Pfalz, dran. Gemeinsam mit Hasret, der schon viele Touren auf dem Trampelpfad in der Eifel geguidet hat. Unsere Strecke ist schön und führt auf die Womrather Höhe, Katzenstein und den Teufelsfels. Wunderschöne Singeltrails, über Felsen, an tollen Ausblicken vorbei – einfach quer durch Deutschland. Heute werden es für mich 18,24 Kilometer mit 554 Höhenmetern. Die letzten beiden Kilometer, leicht bergauf auf der Landstraße ziehen sich. Die LKWs rauschen gnadenlos an uns vorbei. In der Ferne tauchen unsere Wohnmobile auf. Und unsere Finisher-Glocke. Wir werden von den anderen bejubelt – mitten auf einer Landstraße in der Pfalz. Es ist ein tolles Gefühl. Unbeschreiblich.

Ziel ist heute Oberwesel, direkt am Rhein. Mit Dusche. Und Fön. Schön. Absoluter Luxus. Brauche ich das wirklich? Die Aussicht auf „meinen“ Vadda Rhein ist grandios. Ich genieße es. Die Menschen, die Atmosphäre. Die Trailschuhe trocknen auf der Wiese, hoffentlich vergisst sie keiner.

Abends geht es zum Vietnamnesen. Alle gemeinsam. Ein sehr lustiges Erlebnis. Wir lachen viel. Als wenn wir uns schon seit Jahrzehnten alles kennen würden. Was denken Außenstehende, wer wir so sind? Wir haben auch das Wetter gemeistert. Jetzt kann uns endgültig nichts mehr stoppen.

Etappe 3 – In den Taunus: Lauf-Leidenschaft im golden Herbst

Heute starten wir mit einer Fährfahrt über den Rhein, von Kaub geht es ans andere Ufer. Aus dem Dunklen lassen sich die hohen Berge erahnen. Hier muss die erste Lauf-“Schicht“ hoch. Wir fahren in der Dunkelheit hoch. Ich hoffe, dass wir auf einer Höhe bleiben. Mein Lauf-Einsatz beginnt ab Boxberg. Mit Sandra und Hund Janosch geht es auf dem Höhenweg in die schöne Sonne. Ich genieße jeden Meter, pure Lauf-Leidenschaft. Laufen kann so schön sein. Wald wechselt sich mit offenen Feld-Passagen ab, der goldene Herbst zeigt sich von seiner besten Seite. Es gibt einige Steigungen. Das Laufen mit Hund ist anders, bringt Spaß. Wenn ich doch auch nur aus Pfützen trinken könnte. Heute sind es für mich 18,94 Kilometer mit 289 Höhenmetern. Moderat also. Zum Abschluss gibt es einen tollen Downhill. Mein Laufstil wird „bewundert“. Zur Freude breite ich die Arme aus, nur Fliegen ist schöner. Nicht der perfekte Downhill-Laufstil. Tut aber gut. Das Finish bei der Lauf-Crew ist erneut sensationell. Wieder ein perfekter Zieleinlauf, der natürlich seitens der Redakteure des Trail Magazins sofort online gestellt wird. Ungekürzt und authentisch.

Wir sind im Taunus angekommen. Einige laufen über den großen Feldberg. Benni F. und seine Familie haben uns heute abend eingeladen. Er wohnt unweit der Strecke und es gibt Pasta Carbo-Loading. Wir sprechen viel über alte Zeiten und lachen. Wie bei alten Freunden. Heute übernachten wir auf einem Parkplatz in Bennis Straße, gegenüber vom Friedhof. Auch eine besondere Stimmung.

Etappe 4Ab in die Mitte: Vom Mittelgebirge in die Stadt

Es geht auf die Halbzeit zu. Schon. Leider. Die heutige Etappe startet ab Kastel Saalburg. Das erste mal mit lokalen Mitläufern. Wir freuen uns über die „Locals“. Der erste Wechsel folgt an einer vielbefahrenen Straße. Morgens um 8 Uhr feiern in eisiger Kälte und Dunkelheit 13 ausgelassene Läufer*innen die anderen und sich selbst. Die Autofahrer reiben sich verwundert die Augen. Unglaublich, dass wir uns alle erst seit 4 Tagen kennen.

Unser Zuhause: Freiheit Deluxe!

Meine Beine fühlen sich trotz der ungewohnten Höhenmeter noch ganz gut an. Nur der Hals macht sich bemerkbar in der Nacht. Ich bin vorsichtig, laufe heute auf Sparflamme. Schließlich möchte ich die restlichen vier Tage auch noch mitlaufen und Teil dieses Mega-Erlebnisses „Crossing Germany“ sein.

Lauf-„Schicht“-Übergabe

Mit Nico geht es heute 20,37 Kilometer und 201 Höhenmeter über Felder, durch Wäldern und kleine Ortschaften. Wir unterhalten uns über Gott und die Welt. Wie man dies beim Laufen so macht. Man erzählt sich mehr als man in sonstiger Umgebung machen würde. Wir sehen eines unserer Wohnmobile, holen uns Jubel. Ich fotografiere einen Friseur-Laden und symbolisiere damit, dass wir uns frisieren lassen und es deshalb etwas länger dauert. Das Foto wird in die Gruppe geschickt. Später singen die Crew-Mitglieder bei unserem Zieleinlauf „Ihr habt die Haare schön“. Fast schon Gänsehaut. Ich lerne, dass nach einem Long Run asiatische Nudelsuppe wegen Kohlenhydraten und Salzgehalt etwas sehr wertvolles ist. Ich werde es mal ausprobieren.

Am Abend geht es nach Fulda. Hier gönne ich mir einen vegetarischen Döner mit Pommes. Ein langer Lauftag geht für alle um kurz vor 21 Uhr zu Ende. Alle scheinen etwas ruhiger und müder als die Tage zuvor.

Etappe 5 – Die Rhön ist so schön – Foto-Shootings auf der Wasserkuppe
Mit Salomon-Botschafter Philipp Reiter

Die Rhön ist so schön. Was harmonisch klingt, muss nicht immer stimmen. Hier passt es. Einfach alles passt heute, an diesem wunderschön sonnigen Herbsttag. Philipp Reiter begleitet uns nun für 2 Tage. Der bekannte Skibergsteiger und Trail Runnner ist locker drauf und wirkt als sei er schon seit Beginn Teil der Truppe. Passt.

Ich laufe den zweiten Abschnitt mit Clara, Sandra und Markus. Philipp, der auch Botschafter des Ausrüsters Salomon ist, läuft mit. Locker fotografiert er uns, filmt und läuft entspannt auch mal einen Berg rückwärts rauf. Wer kann, der kann. Es macht Spaß. Wir laufen auf die Wasserkuppe in 950 Metern Höhe. Der kalte Herbstwind pfeift uns um die Ohren. Traumhaft ist es hier, blauer Himmel, strahlender Sonnenschein, klarer Ausblick auf eine unglaubliche Landschaft. Hätte ich hier nicht vermutet. Der Rest der Truppe wartet auf dem Gipfel auf uns. Ein Zwischen-Happening mit viel Gesang und Freude. Einige Sonntagswanderer begegnen uns. Einer fragt, wer wir sind und was wir machen. „Wir laufen quer durch Deutschland.“ Alles klar, ein fragender Blick auf der anderen Seite. Könnte auch „komisch“ wirken. Warum macht man das? Ich weiß die Antwort.

An der Rhön ist es schön! Photo by Philipp Reiter
Lauffreude pur – Photo by Philipp Reiter

Auf der Wasserkuppe stößt „Local“ Verena zu uns. Sie zeigt uns einige verborgene Trails, die abseits unserer geplanten Route liegen. Denn dort wollen wir hin, auf die Trails. Toll. Es macht Spaß. Es läuft. Meine Erkältung scheint sich zu verziehen, immerhin habe ich die erste Nacht besser geschlafen. Nach vier fast schlaflosen Nächten. Heute werden es für mich 19 Kilometer mit 839 Höhenmetern.

Immer noch Lauffreude pur – Photo by Philipp Reiter
Da machen auch die letzten Meter auf die Wasserkuppe innerlich Spaß..:-)

Wir laufen heute auf dem Grünen Band von Hessen nach Thüringen. Zwischendurch streifen wir immer mal Bayern. Oder Franken, hab ich gelernt. Idyllisch ist es hier. Schöne gepflegte Naturplätze im Ortskern sind heute unsere Checkpoints. Kein Internet, kein Mobilfunk. Endlich Entspannung. Ich genieße etwas Regeneration auf der Faszienrolle. Kommt auf dieser Reise eher zu kurz. Andere sonnen sich, relaxen im Herbstschein, wieder andere unterhalten sich, spielen Badminton. Wir haben Zeit, „kein Netz zu haben“ ist auch mal schön. Life is good. Eine grandiose (Lauf-)Truppe. Absolutes Wohlfühlfeeling. Es könnte ewig so weitergehen bzw. weiterlaufen.

Stellplatz für die Nacht ist ein Flugplatz. Tolle Atmospähre. So oder so, als dann noch die Abendsonne scheint, ist es schier unglaublich. Schön ist die Welt. Wir rufen den Inhaber des Flugplatz/ Stellplatzes an und fragen nach Strom etc.. Er kommt gerade von einer Laufrunde mit Hund zurück. Passt. Bevor er die Gebühr abkassiere, möchte er erstmal ne Runde fliegen. Ist schließlich ein Flugplatz. Recht hat er. Abendsonne, Sicht und überhaupt alles genießen.

Heute wird selbst gekocht. Auf der Tour scheinen wir das Pech zu haben, dass immer alle Gaststätten wegen Krankheit oder Ruhetag geschlossen haben. So auch heute. Ist nicht schlimm. Es gibt zwei Fraktionen, Reis und Pasta. Ich gehörte zur Fraktion Pasta.

Traumhafter Sonnenuntergang am Stell-/ Flugplatz
Social Media…

Ab 22h liegen alle in ihren Betten. Da wir zu fünft in einem Wohnmobil sind, muss eine immer die Essecke in ein „Bett“ umbauen. Normales Schlafen ist hier in gerader Haltung kaum möglich. Respekt Hanna. Wohnen in sehr beengten Verhältnissen. Trotzdem bietet das Wohnmobil Freiheit. Die Freiheit des Reisens, die Freiheit des überall Duschen- und Kochenkönnens. Die Freiheit, alle Trails von West nach Ost laufen zu können.

Ab und zu sehe ich auf Facebook oder Instagram Posts oder werde von den Womo-Mitbewohnerinnen markiert. Schlafen doch noch nicht alle. Es war ein wunderschöner Tag, wieder einmal mit einer tollen Truppe, in grandioser Landschaft, die mir bisher nicht bekannt war, auf spektakulären Trails mit strahlendem Herbstsonnenwetter. Wenn Engel – äh Trailrunner – reisen.

Etappe 6 – Rennen auf dem Rennsteig – Der Mythos lebt
Marktplatz in Suhl: Läufer*innen-Empfang Deluxe



Montag morgen in Suhl, Thüringen. Das Haar sitzt. Besser noch: Die Stimmung ist mega. 10 Crew-Mitglieder und Philipp Reiter (3 sind auf der Strecke) feiern sich und die Welt. Alte Geschichten werden erzählt. Von Boris Beckers erstem Wimbledon-Sieg. Viele aus der Gruppe waren da noch nicht geboren. Damals habe ich mit Tennis angefangen. Mein erster richtiger Sport. Nun ist es das Laufen. Der Marktplatz in Suhl ist schön, kalt, menschenleer. Klar, Montag morgen. Die Stimmung kocht. Wir markieren einen „Sieger“-Tunnel für die ankommenden Läufer Sandra (mit Hund Janosch), Hanna (mit Hündin Malouna) und Alex.

Nun geht es auch für mich auf die Strecke. Gemeinsam mit Markus und Philipp Reiter, der filmt, fotografiert, rückwärts läuft, tänzelt und lacht. Ich weiß noch nicht, worauf ich mich heute eingelassen habe. Später fragt mich Benni vom Trail Magazin, ob ich mir das Höhenprofil nicht angeschaut habe. Nein, habe ich – wie immer – nicht gemacht. Ich lasse alles auf mich zukommen, bin offen und nehme es an. So auch mit dem Höhenprofil. Zum zweiten Mal in Folge scheine ich wohl die „Höhen“-Strecke des Tages ausgesucht zu haben. Es geht auf den „Hausberg“ von Suhl. Ist wohl auch Teil des Süd-Thüringen-Trails. Es geht steil bergauf, ich gehe. Es werden wohl rund 300 Höhenmeter auf 1 Kilometer. Nicht schlecht für eine Flachländerin, finde ich.

Oben angelangt: Etwas kaputt aber glücklich. Mit Philipp (links) und Markus (rechts)

Philipp lenkt mich ab. Er scheint Spaß zu haben, ich auch. Trotz der Anstrengung. Ich weiß, dass oben ein grandioser Ausblick wartet und die Wadenschmerzen vergessen lässt. Nebenbei erklärt mir Philipp, wie er zum Spitznamen Zauberlehrling kam. Bei seinem ersten Trans Alpine Run, den er mit nur 18 Jahren absolvierte, sah sein Teampartner mit blonden Haaren und Ziegenbart wie ein Zauberer aus. Da Philipp damals gehorsam seinem erfahrenen älteren Teampartner gefolgt ist, wurde ihm der Spitzname Zauberlehrling verpasst. Der mittlerweile erwachsene Zauberlehrling motiviert mich zu laufen. Das mache ich, muss aber auch an die noch zu absolvierende Strecke und die noch anstehenden zwei Lauftage denken. Nur noch zwei auf diesem Abenteuer „Crossing Germany“. Irgendwie betrüblich. Ich kämpfe mich den Berg hoch, der Ausblick ist in der Tat grandios und ich bin stolz, es geschafft zu haben. Philipp erzählt mir von seinen nächsten Abenteuern, dem Besteigen des Matterhorns und Watzmanns. Jeweils Nordseite. Hört sich spektakulär und eisig an.

Rennsteig von oben, Photo by Philipp Reiter
Trailrunning pur aufm Rennsteig, Photo by Philipp Reiter

Weiter geht es nun über den Rennsteig. Der Mythos lebt, wir laufen darauf. Rennsteig und Trailrunning passen zusammen. An der Ecke wartet eine Moutainbike-Begleitung auf uns. Uta und Wolf, die mehrmals den Rennsteiglauf absolviert haben und auch organisatorisch eingebunden sind, begleiten uns. Sie zeigen uns wiederum verborgene Pfade und erzählen uns viel über den Rennsteig. Lohnt sich wohl zu laufen, vor allem den Super-Marathon. Später gesellen sich noch die „Locals“ Johannes sowie Steve mit Hund Charly zu uns. Verwundert nehme ich zur Kenntnis, dass unsere Begleiter unsere Namen zu kennen scheinen. Sie folgen uns auf sozialen Medien. Können wir uns wohl wie nationale Berühmtheiten fühlen?

Mit „lokaler“ Mensch-/ Hund-Begleitung läuft es sich noch viel besser! Photos by Philipp Reiter

Wir laufen durch Schmiedefeld, dem wohl schönsten Ziel der Welt. Der größten Finisher-Party der Welt. Haferschleim und Schwarzbier liegen in der Luft. Da möchte ich auch mal hin. Vielleicht schon im nächsten Mai. Der Zieleinlauf wird grandios gefeiert, heute stehen für mich 20,38 Kilometer und 765 Höhenmeter auf der Uhr.

Da will ich hin: Zum Supermarathon des Rennsteigs

Weiter geht es auf dem Rennsteig – das Laufen und alles feiern. Die lokalen Mitläufer sind toll, versorgen uns mit Bananenbrot und vegetarischen Frikadellen. Und einen Kasten des berühmten Schwarzbiers. Sie haben sich extra den Montag arbeitsfrei genommen, um mit uns laufen zu können. Toll. Lauf-Leidenschaft pur.

Abends geht es auf den Stellplatz Nordhalben. Dort verwöhnt uns Sandras Mutter mit Chili sin carne. Lecker.

Etappe 7 – Saale und durchs Vogtland: Am ersten deutschen Kosmonauten vorbei

Alte Ost-Idylle an der Saale. So wirkt Hirschberg. Ein schönes Schloss thront über der Stadt. Der Fluß Saale markiert die Grenze zwischen Thüringen und Bayern. Hier haben wir unseren ersten Wechsel des Tages. Es wird getanzt. Ein Tanz gegen die Kälte. Spaß haben wir, am Fluss und inmitten alter Fabrikgebäude.

Stimmung und Team-Geist Deluxe

An der Talsperre Dröde wird es „schräg“. Zumindest für die ankommenden Läufer, die ihre Dusche in absoluter Schräglage des Wohnmobils an der Talsperre genießen dürfen. Natur-Erlebnis deluxe. Für mich geht es heute mit Frank, Denis und Benni F. 22,17 Kilometer und 359 Höhenmeter an der Talsperre, auf Trails, durch kleine Orte mit Trabi-Charme und Sorge vor freilaufenden Hunden. Ich lerne von Denis, dass Kinderschokolade Energie gibt. Es macht sich bemerkbar. Hier gibt es viele Orte mit „grün“ im Namen: Engelhartsgrün, Zettlarsgrün. Es wird viel gequatscht. Tiefgreifend, aber auch albern. Muss sein. Der Laufabschnitt ist schnell zu Ende. Ich bin überrascht. Da war doch gerade die Unterhaltung so gut. Schade.

Ist so wie es ist..:-)

In der Gegend gibt es viele Baustellen. Wir verpassen die nächsten Läufer*innen knapp. Es ist Etappe 7, kann passieren. Später geht es durch Morgenröthe-Rautenkranz durch. Hier war der Geburtsort des ersten deutschen Kosmonauten im All, Sigmund Jähn. Ein unspektakulärer Ort mit viel Weltraum-Geschichte.

Wir übernachten auf dem Parkplatz in Eibenstock und gönnen uns ein Essen im Restaurant nebenan. Es ist eine entspannte Runde. Alle scheinen die Läufe und Erlebnisse der letzten Tage in den Knochen zu haben. Trotzdem wird noch in Markus‘ Geburtstag gefeiert. Man(n) wird schließlich nur einmal 29 Jahre jung. Cocktails gibt es – ausnahmsweise mal…. – dazu.

Auch Feiern muss sein..
Etappe 8 – Finale auf dem Fichtelberg: Crossing Germany completed

Wer abends feiern kann, der kann auch laufen. So sieht es aus. Wir laufen heute drei Etappen. Also nicht jeder alle, aber jeder wie er möchte. Ich laufe 15,41 Kilometer mit 607 Höhenmetern. Ein echtes Finale mit Bergauflauf. Ich hinke etwas hinterher, die Beine werden schwerer. Die Woche macht sich bemerkbar. Wanderer fragen wieder, was wir hier machen.

… und Action…

Die letzten zwei Kilometer laufen wir alle gemeinsam. Alle 13 Crossing Germany-Läufer*innen singen und laufen. Es bringt Spaß. Team-Spirit Deluxe. Oben angekommen überragt die Freude, aber auch etwas Wehmut. Es ist vorbei, wir haben es geschafft. Wir feiern. Den Fichtelberg und uns. Aber auch Markus, der heute Geburtstag hat. Drei Sektflaschen hat er auf den Fichtelberg mitgeschleppt. Die müssen jetzt „geköpft“ werden. Wir fühlen uns „unter uns“ und werden von den übrigen Wanderern beäugt. Wir umarmen uns, wissen das es vorbei ist. Es ist kalt.

Am Ziel Fichtelberg: Glücklich und traurig zugleich

Wir laufen runter. Ein letztes Mal zu unseren Wohnmobilen, duschen kurz, packen unsere Sachen und verabschieden uns. Crossing Germany successfuly completed. Toll war es. 13 Menschen und 2 Hunde, die sich vorher nicht kannten, nun eine eingeschworene Gemeinschaft sind. Drei Wohnmobile haben uns auf unserer Reise von West nach Ost begleitet. Ich hab mich voll drauf eingelassen und bin dafür belohnt worden. Ich werde noch lange von diesem Abenteuer zehren. Vom Team-Spirit, der uns umgeben hat. Danke.

Mein besonderer Dank gilt vor allem dem Trail Magazin. Vielen Dank an Denis und Benni, dass ich dabei sein durfte!! Bedanken möchte ich mich bei Salomon und Petzl, die dieses Projekt unterstützt und möglich gemacht haben. Vielen Dank an Philipp Reiter für seine super Fotos und erstklassige Unterhaltung! ..und natürlich auch an meine 10 Lauf-Crew-Kollegen, die einfach unglaublich waren!

© Copyright 2021, Andrea Budde
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